Eltern an die Macht
Eltern an die Macht

Ein Buch wie das vorliegende war lange überfällig. Nach all den Erziehungsratgebern a la Winterhoff und anderen, die die meisten Eltern gegen ihre Absicht noch mehr verunsichert haben, legt Gerlinde Unverzagt, alleinerziehende Mutter von vier Kindern unter dem Titel „Eltern an die Macht“ ein Buch vor, in dem sie begründet, „warum wir es besser wissen als Lehrer, Erzieher und Pädagogen“.

Das ist natürlich etwas überzogen, doch genauso wie bei ihrem unter dem Pseudonym Lotte Kühn 2006 veröffentlichten Bestseller „Das Lehrerhasserbuch“ liebt es Gerlinde Unverzagt auch hier wieder, mit spitzer Feder zu schreiben.

Dabei kommt es ihr, berechtigterweise, nur auf folgendes an: Eltern dürfen sich von den massenhaft angebotenen Ratgebern von Pädagogen, Psychologen und Therapeuten nicht länger verunsichern lassen.
Sie müssen wieder lernen, ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen, auf ihre eigenen Gefühle und Impulse zu achten. Sie müssen den Mut aufbringen zu eigenen Entscheidungen und nicht bei jeder kleinen „Abweichung“ den hauptsächlich literarischen Rat von sogenannten Fachleuten einholen. Denn je mehr die Eltern verunsichert sind, schaden sie den eigenen Kindern. Denn die brauchen nichts weniger als das. Keine Entscheidung oder Intervention, weil ich unsicher bin, ist meistens schlechter als eine falsche. Und die Kinder verlieren auf die Dauer den Schutz und den Halt, den nur Eltern bieten können, wenn es geht,  starke Eltern. Ihre Stärke wächst aber nicht mit der Zahl der von den Eltern konsumierten Erziehungsratgeber, sondern nur mit und durch erwachsene elterliche Gegenüber. Denn Kinder können nur wachsen an Menschen, die schon er- wachsen sind.

Gerlinde Unverzagt macht Eltern Mut, ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstbewusstsein wieder zurückzugewinnen. Fehler werden Eltern immer machen, aber der größte Fehler ist, nichts zu machen oder etwas gegen die eigene Einsicht, auch wenn es ein Dutzend Ratgeber empfehlen. Durch meinen siebenjährigen Sohn hatte ich in den letzten Jahren im Kindergarten viele Gespräche mit Eltern, die unter der Flut von Ratgebern leiden und ihre Kinder noch mehr. Eltern, die ihre eigene Angst vor der Zukunft kompensieren, indem sie Kinder von einer Maßnahme in die anderen karren, bis dann überhaupt eine Zeit mehr bleibt, für den unendlich wichtigen Kontakt, den Kontakt zu meinem Kind, ohne irgendeine erzieherische Absicht. Einfach so.

Für mich persönlich haben Kinder und meine Beziehung zu ihnen noch eine andere Dimension. In einer Predigt an Pfingsten, wo ich versuchte, mich dem zu nähern, was die Bibel den Heiligen Geist nennt, habe ich das so beschrieben:

„Seit unser Sohn David auf der Welt ist, ja, eigentlich schon, als meine Frau und ich spürten, dass er zu uns gekommen war, einige Tage, bevor die Schwangerschaft durch den Test sozusagen amtlich war, vergeht kaum ein Tag, wo ich nicht für längere oder auch kürzere Zeit, manchmal sind es nur Sekundenaugenblicke, im Innersten berührt unser Kind anschaue, ihm zuhöre. Ich kann dann in diesem Sekundenaugenblick dieses Wunder immer noch nicht begreifen, dieses Gottesgeschenk und was es mit meinem Leben gemacht hat. Wie dieses Kind das eigene Kind in mir, das Wertvollste und Heiligste wachruft und am Leben hält. Wie es eine Liebe in mir weckt und erhält, wie es mein Leben, wie es das Leben in unserer Familie bereichert und begeistert – ich kann das manchmal mit meinem Verstand nicht fassen.
Und ich nenne das den Geist Gottes, der mir, der uns dieses Geschenk macht.“

Mit oder ohne diese Dimension: Kinder sind ein Geschenk, wir brauchen und dürfen sie nicht dressieren. Indem wir  auf uns selbst achten, erwachsen werden und bleiben, dabei dennoch nie das eigene innere Kind vergessen, werden wir diesem Geschenk gerecht.

Gerlinde Unverzagt, Eltern an die Macht, Ullstein 2010, 240 Seiten, ISBN 978-3-550-08785-1

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Gastbeitrag von Winfried Stanzick

2 Kommentare

  1. ui das gefällt mir!
    ich beobachte das teilweise auch, dass schon die kleinen kurse machen, therapiert werden sollen und dame die ich kenne und schätze, weiß wirklich nicht, wie man mit einem kind spielt. einfach so. mit autos wrummmm.
    aber ich beobachte auch eltern, die sich diesem ganzen kram verweigern, bzw. klug auswählen und einfach zeit mit ihm verbringen.
    gerade nach einem tag wie heute, tut mir der artikel gut, motiviert es mich doch, gleich morgen früh mit meinen kindern zu spielen. 🙂
    heute war ich irgendwie so auf arbeit fixiert…
    oh, und die sekundenbruchteile, die kenne ich auch. ein schelmisches lächeln, ein zartes streicheln, ein glückliches kindergesicht, eifrig bemühte hände, ach, ich mag sie alle. manchmal vergesse ich es nur. der alltag erstickt leider vieles. 🙁

    liebe grüße, mara

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