Angst – die haben viele Eltern. Angst davor, ihr Kind nicht genug zu fördern. Angst, ihrem Kind nicht genug bieten zu können. Angst, das Kind falsch zu erziehen. Dass diese Ängste in einem gewissen Rahmen berechtigt sind, daran besteht kein Zweifel.

Als Zwillingseltern bekommt man die gleich doppelt zu spüren, weil man zwei kleine Lebewesen so richtig verkorksen kann, wenn man nicht aufpasst. Die aktuelle Elterngeneration bietet ihren Kindern eigentlich beste Voraussetzungen für ein zufriedenes und erfolgreiches leben. Sie selbst sind gut ausgebildet, im Beruf oft hochqualifiziert, widmen ihrem Nachwuchs genügend Aufmerksamkeit und lieben ihre Kinder so sehr wie kaum eine Generation vorher. Außerdem sind sie gewillt, alles zu tun, um ihren Kindern den Start ins Leben so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Und genau da liegt das Problem des Bildungsbürgertums heutzutage: sie haben Bildungsangst. Das soll heißen, sie haben Angst davor, dass ihre Kinder auf der Bildungsebene von anderen abgehängt werden. Die Pisa-Studie hat daran vielleicht auch ihren Anteil, weil dort zum ersten Mal deutlich wurde, dass andere Kinder in anderen Ländern besser gebildet sind als hierzulande – und das im Land der Dichter und Denker.

Bloß nicht durchschnittlich sein Um nicht zu den Schulverlierern zu gehören, oder schlimmer noch zum bloßen Durchschnitt, wollen Eltern ihre Kinder so früh wie möglich fördern, um ihnen einen Vorteil auf dem Bildungsweg zu verschaffen. Dass die Kinder so aber oftmals auch unter Stress und Überförderung leiden, übersehen viele Eltern. Es gehört zu guter Erziehung nämlich auch dazu, auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes zu achten und die Ansprüche an das Kind anzupassen – und nicht umgekehrt. Der Bildungsstress und Förderwahn für teilweise so weit, dass die Kinder zu Therapiefällen werden – mal berechtigter, mal überflüssiger Weise.

Einige Eltern sind fast schon überkritisch, kontrollieren und analysieren jede Bewegung ihres Nachwuchses, um das ganze dann therapeutisch optimieren zu lassen. Anders lässt sich die steigende Zahl der Kinder mit therapeutisch behandelten motorischen, sprachlichen oder psychischen Störungen nur schwer erklären. Über Förderung und Leistung gibt es zur Genüge Ratgeber. Einer, der den Förderwahn und die Bildungsangst der Eltern auch mal etwas kritischer betrachtet ist der Familienratgeber „Wie Erziehung garantiert misslingt“ von Jan-Uwe Rogge und Angelika Bartram. Sie erklären in ihrem Buch, warum Eltern nicht immer in der Bestimmerrolle stecken müssen und warum Kinder nicht immer gehorchen sollen. Zwar ist Disziplin nach wie vor ein hochgeschätzter Wert in der Erziehung, jedoch gehört es zum Kindsein auch dazu, Grenzen auszutesten und sich in Widerrede zu probieren.

Viele Eltern machen zudem die Erfahrung, dass sie viel mehr von ihren Kindern lernen können, als sie sich vorher gedacht haben. All das funktioniert aber nur, wenn man sich darauf einlässt und seinem Kind genügend Freiräume schafft, auch und vor allem zeitlicher Natur. Klar will kein Elternteil sich später vorwerfen, das eigene Kind nicht ausreichend gefördert und ihm damit Zukunftschancen verbaut zu haben. Die wenigsten Kinder werden später zu ihren Eltern sagen: „Mama, Papa, warum habt ihr mit mir kein Babyenglisch gemacht?“ Wichtig für eine gute Erziehung ist nämlich, das Kind auch Kind sein zu lassen.

Kinder brauchen einfach keinen Terminkalender, der genauso überbordend voll ist wie der ihrer Eltern.