Auf dem hohen Küstensande
Wandre ich im Sonnenstrahl;
Über die beglänzten Lande
Bald zum Meere, bald zum Strande
(Theodor Storm)
Johannes hatte via Twitter eine Verlängerung seiner gelungenen Meerparade angekündigt und ich hab’s verschlafen. Als Exilnordfriese in Franken eigentlich ein No-Go. Ich lebe schließlich hier in einer Region, in der beim leichtesten Wind im Radio schon von „Orkan“ gesprochen wird. Man soll zu Hause bleiben. Fenster und Türen geschlossen. Aus. Basta. Das kenne ich von meiner alten Heimat anders.
Nolde liebte ihn, den Norden. Den Wind. Die Farben. Die Lichtspiele. Was sind wir raus, wenn die Herbststürme kamen. Raus auf den Deich, alleine oder in der Gruppe gegen den Wind stemmen oder hin zum Eidersperrwerk, wenn man jemanden gefunden hat, der einen hinbrachte. Auf den Schlitten den schneebedeckten Deich hinunter. Aus Mangel an Rodelmöglichkeiten. Natürlich die steilere Seite zur Straße. Geschwindigkeit. Kinderlachen.
Die Bäume um unser Reetdachhaus knarzten. Geräusche, die ich danach nie mehr erlebte, als es mich gen Süden zog. Den grauen, nasskalten Winter entfliehend. Doch den hellen Winter fand ich nicht. Zwar die Liebe meines Leben, aber nicht die schnell wechselnden Wolken. Was fehlt: das Geschrei der Möwen, der Duft und das Rascheln des Strandhafers.
Und jetzt kommt „Xaver“. Er drückt mit seinen Gewalten an die Küste. Bringt Sturm, Orkan, hohes Wasser. Die Medien sprechen von einer ähnlichen Gefahr wie 1962. Vor meiner Zeit. Doch an die Schneekatastrophe 1979 erinnere ich mich noch gut. Mein Vater zog mich und meinen Sandkastenkumpel auf unserem Schlitten quer durch den Ort zu einer Geburtstagsfeier. Schneeverwehungen. Eine gedämpfte Geräuschkulisse. Die Eider zugefroren. Knarzendes Packeis am Sperrwerk.
Hier, südlich des Weißwurstäquators, sitzt man im Trockenen und verfolgt die Bilder von Wind und Meer. Der nächste Urlaub kommt bestimmt. Natürlich dort, wo es weht und rauscht. Ob im Norden, Süden, Westen oder Osten. Hauptsache bei dir.