Wir hatten Zwillinge, bevor sie cool waren
Wir hatten Zwillinge, bevor sie cool waren

„Du kannst mich mal gern haben“ „Du mich auch“. Türen werden geschmissen, die Musik wird laut aufgedreht, es wird gestampft, sich verkrochen und ein paar Minuten später ist es wieder vorbei. Das kennen alle Eltern. Alle Kinder erleben das, zuhause oder im Kindergarten, in der Schule. Kürzlich noch „Der ist nicht mehr mein Freund“, am Nachmittag ist wieder alles vergessen und am Folgetag sind sie ein Herz und eine Seele. Und bei Zwillingen?

Zwillinge, ob eineiig der zweieiig – haben eine besondere Bindung zueinander. Schließlich haben sie im Mutterleib gemeinsam die Zeit vor der Geburt mit einander verbracht. Haben immer ihren Spielkameraden, besten Freund, Partner an der Seite. Kennen es nicht anders.

Trennung im Kindergarten oder Schule

Das Thema gemeinsame Gruppe oder Klasse ist eines, was uns Zwillingseltern schon sehr früh beschäftigt. Schließlich wollen wir nur das Beste für die Kinder: dass es ihnen gut geht. Und gerade hier scheiden sich die Geister. Es gibt gute Gründe, die Zwillinge im Kindergarten, spätestens aber zur Grundschule in getrennte Gruppen zu geben: Förderung der eigenen Individualität und Ausprägen der persönlichen Stärken. Genauso aber auch das Erkennen der eigenen Schwächen und das Umgehen damit.

Bei der Trennung von Zwillingen im Kindergarten oder Schule gibt es keine allgemeingültige Lösung. Denn nur die Eltern kennen ihre Kinder am besten und wissen, ob sie es „packen“, ab sofort viele Stunden am Tag getrennt von einander zu verbringen. Sie entwickeln sich rasant. Wir hatten im dritten Kindergartenjahr das Thema, ob es nicht besser sein, die Jungs in verschiedene Gruppen zu geben. Nicht, weil sie aneinander klebten, sondern sich auch unbewusst aneinander orientierten und verglichen. Natürlich bleibt das Zuhause und im sonstigen Umfeld nicht aus, aber es wurde für ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung vorgeschlagen. Wir fanden es damals noch zu früh.

Grundverschieden und doch gleich

Zwillinge sind gleich und doch verschieden. Jeder Vergleich hinkt. Immer wieder wird in Kindergarten und Schule betont: sie seien ja individuelle Persönlichkeiten, in Gesprächen aber werden sie oft über einen Kamm geschoren. Schwere Situation, wenn es die Kinder mit der Zeit mitbekommen.

Manche Kinder sind Eigenbrötler, manche nur in der Gruppe stark. Das gibt es ja bei allen Kindern, ob als Einzelkind oder Geschwisterkind aufgewachsen. ZWS2 ist auch mal gerne für sich alleine, ZWS1 liebt Gesellschaft, freut sich an und mit allen, die da sind. Es gibt Zeiten, da sind sie unzertrenntlich. Im Urlaub ist immer ein Spielkamerad dabei. Und auch Zuhause gibt es die Phasen, wo sie nicht von einander weichen und alles miteinander teilen.

Mein Bruder fehlt mir

Ich erinnere mich aber noch gut an den Schwimmkurs der beiden. Die kannten die Schwimmlehrerin schon länger. ZWS1 war krank zuhause geblieben und ZWS2 saß am Beckenrand und wollte nicht ins Wasser. Partout nicht. Auch als ich mich ins Kühle Nass begab – nein, Kopfschütteln. Nein. Und nochmals nein. Die Schwimmlehrerin und ich schauten uns an und hatten ein großes Fragezeichen im Gesicht. Ich setzte mich neben meinen Sohn. Nahm ihn in den Arm.

„Was ist los?“ wollte ich wissen.

„Mein Bruder fehlt mir!“.

Der Satz überraschte mich. In jeglicher Hinsicht. Er ließ mein Herz schmelzen. Ein Satz, den ich von ihm nicht erwartet hatte. Da er doch manches Mal lieber gern allein ist, seine Bilderbücher – jetzt Bücher – alleine durchblättert und darin versinkt. Nach diesem Satz, der ihn berfreite, schwamm er noch die verbliebenen fünf Minuten mit der Schwimmlehrerin.

Dieser Moment war es auch, sie im letzten Kindergartenjahr noch zusammenzulassen. Hier wollten wir keine Trennung der beiden. Dann kam die Grundschule. Wieder dieses Bauchgefühl. Wieder die Unsicherheit, es nicht „richtig“ zu machen. Vergleiche mit anderen Familien halfen hier nicht wirklich. Auch in Gesprächen mit anderen Zwillingseltern hörte man dieselben Unsicherheiten heraus. Wir waren nur einen kleinen Schritt weiter.

Coks Feenstra - Das große Zwillingsbuch
Coks Feenstra – Das große Zwillingsbuch

Schulmodell gab die Richtung vor

An der Grundschule unserer Jungs gibt es einen Ganztageszweig. Fast die gesamte Kindergartengruppe wechselte in dieses Modell. Da es nur eine Ganztagesklasse gab, stellte sich auch hier nicht die Frage der Trennung. Auch wenn uns klar war, dass es spätestens mit den Schulnoten ein neues Konfliktpotential auftauchen würde. Sucht man nach Studien, gibt es keine, die bestätigt, dass eine Trennung von Zwillingen zu einer besseren individuellen Entwicklung führt. Mehr dazu auch in „Das große Zwillings-Buch“ von Coks Feenstra„Das große Zwillings-Buch“ von Coks Feenstra (Amazon-Partnerlink), das ich hiermit dir sehr ans Herz lege, solltest du es noch nicht haben.

Zwilling zu sein, ist Fluch und Segen zugleich. Es wird viel geteilt und gemeinsam überstanden, durchgemacht. Auch hier gilt ja, egal wofür man sich entscheidet, hinterher ist man schlauer. Auch hilft ein zeitiges Gespräch im Kindergarten oder mit dem Klassenlehrer. Hier ist der andere Blickwinkel gut, aber auch nicht überzubewerten. Auch das Buachgefühl nicht vernachlässigen. Oftmals ist ja auch eine Änderung des Modells zwischendrin möglich.

Konkurrenz und Streit

Wer was wann als erster machen darf, kennen wir schon seit sie ungefähr drei Jahre alt sind. Sie erkennen den anderen als eine andere Person und nehmen sich selbst stärker als ein eigenes Ich wahr. Es wird zu einem täglichen Wettstreit. „Ich war schneller.“ „Ich bin größer.“ „Ich bin erster am Tisch.“ Wir haben daher für den Tischdienst in den letzten zwei Jahren einen Wochenplan aufgestellt, damit es hier keine Ungerechtigkeiten gibt und sich auch jeder wertgeschätzt fühlt. Nichts ist schlimmer für sie als zu meinen, der andere würde weniger mithelfen und dafür mehr Freizeit haben.

Natürlich können die Unterschiede auch motivieren. ZWS2 liest unheimlich gern und viel. Daher wird auch ZWS1 mitgezogen und möchte es auch so gut können. Hier zeigt sich oft die enge Bindung, dass beide sehr viel aufeinander achten und eingehen, wenn sie merken, dass der andere in einer bestimmten Situation Hilfe braucht.

Durch die gemeinsame Klasse, versuchen wir im Gegenzug einzeln mit ihnen etwas zu unternehmen. Das lässt sich oftmals nicht planen, aber wir versuchen es regelmäßig umzusetzen. So stärken wir die Beziehung zu jedem einzelnen Kind. Es klingt vielleicht jetzt für Geschwisterkinder ganz normal, ist für Zwillingseltern aber eine andere Herausforderung.

Und nun du

Wie macht ihr es? Sind eure Kinder in unterschiedlichen Gruppen oder zusammen? Ab damit in die Kommentarbox…

 

5 Kommentare

  1. Bei der Besichtigung eines Kindergartens vor kurzem, den ich eventuell vor hatte, für meine beiden Minis (2,5 jährige Jungen, zweieiig) wurde mir nebenbei von der Leiterin gesagt, dass sie sie sowieso trennen würde! :-((( So ganz ohne Begründung!
    Ich empfinde diese Aussage als furchtbar! Das hat mich sogar ziemlich geschockt, muss ich sagen!
    Ich empfinde es für meine Kleinen als absolut nicht richtig, sie zu trennen! Ich sehe absolut keinen Sinn darin, im Gegenteil: Ich denke eher, dass es ihnen eher schadet, besonders am Anfang, wo sie noch so klein sind! Sie behindern sich keineswegs in ihrer Entwicklung und hängen aneiander! Beide sind z. B. sprachlich sehr weit für ihr Alter! Und in einer so neuen fremden Situation, das erste Mal in Fremdbetreuung, würden sie sich Halt und Sicherheit geben, ohne jedoch aneinander ständig zu kleben. In den Spielgruppen, die wir regelmäßig besuchen, spielt jeder der beiden oft auch mit anderen Kindern, sodass sie durchaus eigene Freunde finden werden! Da bin ich ganz sicher!

    Und obwohl ich diesen Kindergarten zunächst favorisierte, möchte ich meine Kleinen nun auf gar keinen Fall dorthin schicken! -Sagt mir mein Gefühl.

    Viele Grüße!
    Barbara

    • Liebe Barbara,

      danke für deinen Kommentar. Ich finde auch, dass es gerade in den allerersten Monaten den Eltern – nach Absprache mit dem Kindergarten – möglich sein sollte, beide in einer Gruppe zu lassen. Habt ihr mittlerweile eine andere Lösung gefunden oder noch einmal mit der Leitung gesprochen?

      Liebe Grüße
      Sven

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein