Nur mit Ehrgeiz auf Platz 1 ?
Nur mit Ehrgeiz auf Platz 1 ?

Wenn man so die unterschiedlichsten Medien in der letzten Zeit verfolgt, beginnt man daran zu zweifeln, ob man in der Erziehung überhaupt etwas richtig macht. Fördere ich mein Kind genug, warum kann es mit drei Jahren noch nicht fließend chinesisch und warum hat es noch Zeit zum Spielen… ich mache mir Sorgen.

Selbst vom Spiegel strahlt es seit Montag herunter – „Das überforderte Kind – wieviel Ehrgeiz verträgt gute Erziehung“. Nicht nur die althergebrachten Magazine wie „Eltern“ und „Eltern family“, das auch auf dem Titel der aktuellen Ausgabe „Kinder Ehrgeiz – Wie Sie Leistungswillen spielerisch fördern“ titelt. Da wird einem schwummrig im Hirn.

Ich frage mich, und nicht nur ich, wie wir als jetztige Eltern unsere Kindheit überhaupt überleben konnten und wie aus uns doch (noch) ewas wurde. Hey, wir sind in den 1970ern / 80ern aufgewachsen als wir noch nicht mit Fahrradhelmen unterwegs waren, wir saßen auf der Rückbank von Autos, die – bis auf ein paar Ausnahmen – noch keine Gurte hatten, geschweige denn eine Anschnallpflicht für hinten galt, haben vielleicht Abitur nach 13 Schuljahren gemacht, statt nach übervollen 12 und sind auch mit nur drei Fernsehprogrammen und ohne Baby-Yoga groß geworden.

Es ist ja nicht Sinn dieses Artikels, über den Nutzen von Babyschwimmen, Baby-Yoga, Englisch für Babys etc. zu sinnieren. Wer es machen möchte, soll es gerne tun. Jedoch ist es selbst bei Wissenschaftlern mittlerweile umstritten, was überhaupt etwas bringt.

Sehr schön wird dieses Thema u.a. auch bei Julia Heilmann und Thomas Lindemann in dem Buch „Babybeschiss“ abgehandelt. Häufig wird aus solch einem Kurs eher eine Tratschstunde für die Eltern, die dann nebenbei noch ihren Nachwuchs mitbringen. Das kann es doch auch nicht sein.

Ja, auch wir waren mit unseren Zwillingen im Musikgarten, aber das war es schon. Die Zeit der Kindheit verfliegt viel zu schnell. Die Kleinen haben zwischen all den Terminen kaum noch Zeit für ein freies Spielen. Es wird gefördert, geprüft, in Schubladen sortiert…

Und ganz persönlich möchte ich meine Kinder nicht zu Leistungsmaschinen erziehen, die nur mit ihrem Ellenbogen denken, sondern die einen eigenen Willen entwickeln und ihren eigenen Weg finden. Eltern sollten sie hier nach bestem Ermessen unterstützen. Ein bisschen mehr Selbstfindung und Gelassenheit ist angesagt. Das könnte doch Ehrgeiz genug sein, oder nicht?

 

Foto: kallejipp / photocase.com

4 Kommentare

  1. Wie viel EHRGEIZ verträgt gute Erziehung?…

    Der SPIEGEL titelt in dieser Woche in Heft 42/2011: “Das überförderte Kind – Wie viel Ehrgeiz verträgt gute Erziehung?” Ein wichtiges Thema in unserer Gesellschaft, Kindererziehung und Förderung. Wobei namhafte Wissenschaftler wie der…

  2. Hach, du sprichst mir aus dem Herzen. Gerade in den letzten Tagen knobel ich schon wieder, ob und wie ich richtig erziehe. Und da kam ein Vortrag einer Schulleiterin gestern (Thema: „Ist mein Kind schulreif?“), als ich mich schon wieder schwertat mit der Frage, wann ich mein Kind einschulen lassen will, die immer wieder betonte, dass nicht die vielen Termine und aktive Wissensvermittlung das Kind schulreif machen, sondern dass – ich war ein bisschen überrascht – eher die Basics fehlen, so etwas wie den Reissverschluss schließen können. Die deutsche Sprache ausreichend beherrschen (betrifft auch deutsche Kinder), eine Schleife binden, sich im Raum orientieren können (vorne, hinten, oben, unten), sich organisieren können, Regeln beim gemeinsamen Essen beherrschen, einen Stift oder Löffel richtig halten. Und sie hat betont, dass viel miteinander sprechen, vorlesen und Bewegung wichtig sind. Hach, das tat gut, das von einer Pädagogin zu hören.
    Über den Sinn von Babyaktivitäten will ich mich auch nicht streiten, ich finde nur, dass es doch schön ist, die Angebote zu nutzen, wenn sie Mutter und Kind Spaß machen, außerdem lernt man neue Leute kennen, das finde ich gar nicht so unwichtig. Aus Angst, etwas zu verpassen, sollte man nichts mitmachen, finde ich. Und Hauptsache, es bleibt genügend Spielzeit. So, und damit werde ich weiterhin Bücher lesen und vorlesen, die Nachmittage im Freien verbringen und meine Terminstatistik niedrig halten.
    Liebe Grüße, Mara

    • Liebe Mara,

      hab Dank für deinen ausgiebigen Kommentar. Unsere Kinder sind ja recht frisch im Kindergarten. Dort gibt es seit rund 1,5 Jahren eine neue Leiterin, die selbst (kleine) Kinder hat und genau weiß, worauf es zu achten gilt und was man eher als „Phase“ abtut. Auch sie achtet jetzt vermehrt darauf, dass die Basics nicht zu kurz kommen. Alles andere kommt früh genug. Der Stress ohnehin.
      In diesem Sinne eine hoffentlich einigermaßen entspannte Restwoche.

      Grüße

      Sven

  3. […] des Kindes. Natürlich halte ich auch nichts davon, die Kinder mit Kursen zu überfrachten und zu ehrgeizigen Egomanen zu […]

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