Tim Parks - In vollen Zügen - die perfekte Lektüre
Tim Parks – In vollen Zügen – die perfekte Lektüre – auf der Rückfahrt

Fährt man Bahn – zudem noch mit Kindern in der Urlaubszeit – sollte man eine Platzreservierung vornehmen. Die Kinder fahren ja eh noch gratis, da sollten die Mehrausgaben drin sei, die sich wirklich in Grenzen halten. Wir hatten reserviert. Und das war mehr als nötig. Die Zpge waren proppevoll. Gut, die S-Bahn zum Nürnberger Hauptbahnhof nicht, dann ging es aber mit einem Regional-Express wegen einer Baustelle zuerst nach Würzburg, wo wir dann in den ICE nach Hamburg stiegen. Wir hatten einen der wenigen Dreier-Plätze mit Tisch kurz vor der Ersten Klasse. Und an ein Schläfchen war nicht zu denken.

Bahnfahren ist ja aufregend. Ich kann mich auch noch an meine erste größere Fahrt mit der Bahn erinnern. Die vorbeihuschenden Häuser, Bäume – hier die Tunnel. Zwillingssohnemann zwei machte eine Strichliste und ich selbst wunderte mich über die wirklich hohe Anzahl, obwohl ich früher häufig vom Studium in Würzburg hinter den Deich nach Hause fuhr und nie mitgezählt hatte. Ich ging von vier aus. Weit gefehlt. Zwischendurch wurde vorgelesen (was wohl? Was ist Was Junior – Eisenbahn), gekniffelt, gemalt, geguckt, gefragt, gegessen, getrunken. Aber nicht geschlafen. Früh waren wir auf den Beinen. Die Dame des Hauses hatte noch Proviant mitgegeben. Mittags sollte ich mit den Jungs in Hamburg bei den Großeltern eintreffen. Zeit für Mittagessen würde es dann geben und dann würde der Tag erst beginnen.

Kurz vor dem Ziel schlief Sohnemann zwei dann doch noch kurz ein. Aber nur kurz. Pünktlich im Hamburger Randbereich fing es in Harburg an zu schütten. Klischee. Die aussteigenden Touristen suchten eilig ihre Regenjacken zusammen. Und dann „Boah, Papa. Schiffe.“ Linkerhand lagen sie. Fünf große, wirklich große Containerschiffe. Die Jungs hingen an der Scheibe. Solche Schiffe sieht man bei uns im Süden nicht. Ab und an mal ein flaches Frachtschiff auf dem Main-Donau-Kanal. Das ist aber auch schon alles. Und dann waren wir da. Den Hamburger Hauptbahnhof ließen wir an uns vorüberziehen. Der Blick auf die Binnenalster. „Boah, Papa, ein Spritzschiff“ – genau. So ist das in Hamburg. Dammtor war für uns die Endstation. Freude bei den Jungs und den Großeltern. Kurzes Mittagessen im Bahnhof – das erste Mal asiatische Bratnudeln (die hatten wir bisher privat immer ignoriert) und im Urlaub schmeckt eh alles.

Franzbrötchen und Espresso im Hauptbahnhof - LECKER
Franzbrötchen und Espresso im Hauptbahnhof – LECKER

Der Regen hatte aufgehört. Ankommensprogramm der Großeltern. Am Sonntagnachmittag ging es für mich zurück. Mit der U-Bahn von den Großeltern erreichte ich Dammtor nicht, sondern entschied mit für den Hauptbahnhof. Es gibt schönere Ecken. Nicht nur die Massen, die sich hin und her schoben. Alles laut, dreckig, überfüllt und nicht wirklich schön. Der einzige Lichtblick war ein kleines Stehcafé oberhalb von Gleis 12-14 mit einem leckeren Espresso und Franzbrötchen (Liebe Bäcker im Süden – lasst euch mal des Rezept schicken, googelt mal und macht es mal. Nusshörnchen sind auf Dauer langweilig).

Das komische Gefühl ohne die Kinder wieder abzureisen, machte sich dann im ICE breit. Automatisch waren für die Rückfahrt auch drei Plätze reserviert. Nun brauchte ich nur einen. Der Zug war überfüllt und ich konnte zwei Mitreisende glücklich machen. Eine Damen mit einem kleinen Hund in einer Reisetasche freute sich. Ich war froh, dass der schon gefrühstückt hatte. Nicht, dass der schnappt. Eigentlich ist es eine gute Taktik. Frühzeitig die Fahrkarte buchen, Superdupersparpreise raussuchen und dann einfach 30 Plätze reservieren. Wenn man Glück hat, liegt dann der Endpreis weit unter dem Normalpreis. Und man hat seine Ruhe. Und sucht sich die Mitreisenden aus 😉

Auch auf der Rückfahrt musste ich in Würzburg wieder den Zug wechseln. Nervig. Gott sei Dank ohne Kinder. Ansonsten ist das alles zu eng bemessen. Vor allem wenn die Züge unpünktlicher werden. Positiv ist, wenn der Anschlusszug auch nicht pünktlich ist. So wie gestern. So hatte ich eine halbe Stunde Zeit in Würzburg. Der Bahnhof ist auch kein optisches Highlight. Dazu an anderer Stelle. Passend zur Rückfahrt hatte ich mir Tim Parks „Italien in vollen Zügen“ auf den e-reader geladen. Name ist Programm. Und im IC ab Würzburg wurde es recht amüsant:

Voll war es. Heiß. Überheizt. Stickig wie bei den Ice Tigers in der Umkleidekabine. Wieder drei servierte Plätze, von denen ich zwei wie ein König zu verschenken hatte. Die Zusammensetzung war gut. Ein graumelierter ehemaliger Personenschützer in wollweißem Edelpullover, neben mir ein T-Shirt-tragender Arzt, der für einem Vortrag an seiner Powerpoint-Präsentation arbeitete. Dann ein hohes Kieksen. „Ist hier noch frei?“ Man erwartet eine kleine Dame. Weit gefehlt. Die Frau war sehr groß, tatöwiert. Baute sich auf dem verbliebenen Platz auf, Handy raus, verkabelt und dann zockte sie los. Laut. Schnaubend. Entrüstet wenn ein Level nicht funktionierte. Ihr selbstgemischter, giftgrüner Powerdrink schien nicht anzuschlagen. Plötzlich rührte sich der arbeitende Vortragsarzt – „Ich bin mir sicher, dass das Spiel auch ohne Ton funktioniert“. „Bitte?“ „Ich bin mir sicher, dass das Spiel auch ohne Ton funktioniert:“ Leise. Ohne Härte in der Stimme. „Es ist hier kein Ruheabteil“ kiekste es von Gegenüber. „Da gibt es so Abteile mit Glastüren“. „Naja.“ „Aber ich kann es leiser stellen.“ „Na sehen Sie.“ Der Rest meiner einstündigen Fahrt verging schnell. Nicht zuletzt wegen des unterhaltsamen Buches.

Als ich endlich in Nürnberg den Zug verließ, hörte ich eine innere Stimme „Duschen, duschen, duschen“. Sie wurde lauter. Doch zu Hause überfiel mich die Stille. Keine Kinder. Die Dame des Hauses hatte mich spät abends noch abgewartet. Sie meinte, sie hatte die letzten 1,5 Tage noch nie so viel Radio angehabt. Ja, kinderfreie Zeit kann auch auf die Ohren gehen.

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